3
Okt
2005

Ach, KaDeWe...

KaDeWe

Um das gleich vorweg zu sagen: das KaDeWe ist mein Lieblingskaufhaus, nichts kann meine Vorliebe so schnell erschüttern. Aber es wird alles ständig neuer, schöner, besser, das halte ich manchmal nicht aus! Nun gut, ich suche ein neues Seidentuch, meine Farbberaterin hat mir ein paar neue Farben gezeigt. Mein erster Weg ist natürlich ins KaDeWe, dort gibt es die besten Seidentücher. Dachte ich. An diesem Wochenende hab' ich keins gefunden...

Mit Wehmut erinnere ich mich an "mein" altes Kaufhaus des Westens. Als ich nach Berlin kam, gab es in der geteilten Stadt nur ein akzeptables Kaufhaus, das war natürlich das KaDeWe. Man trat ein durch ein großes Tor, wie ein Kirchenportal, geschmückt mit goldgrundigen Mosaiken. Der Kunde betrat einen Parkett-Raum wie ein Bühne, ein theatralischer Empfang.
In der großen Halle im Erdgeschoss war die Stoffabteilung, seidene Bahnen hingen über 3 Etagen drapiert und in fein oder exzentrisch abgestuften Farben von der Decke herunter. Die direkt anschließende Parfümerie sorgte für die jahreszeitlich passenden Duftschwaden. Jede Saison gab es auch neue experimentelle Wolle und Bänder in Farben, wie du sie noch nie vorher gesehn hast. Ein Besuch im KaDeWe war immer ein sinnliches Fest, ein inspirierender Jahrmarkt. Und es war ein "weibliches" Kaufhaus, unterstützt von einer schwärmerischen Armada von homosexuellen Dekorateuren, Bühnenbildnern und Designern. Eine androgyne Szene siedelte sich im Quartier an prägte West-Berlins Ruf als Kulturhauptstadt. Hier konnte man Nina Hagen treffen. Mancher Mann äußerte vorsichtige Kritik: Hier sieht's ja aus wie im Puff... Aber wir sind ja tolerant!

Frauen allein als Kundinnen rechnen sich nicht. Mitte der 80er setzte eine andere Entwicklung ein: die Dinge zogen herauf, die Hardware begann das Styling und den theatralischen Auftritt zu verdrängen. Ich selbst fing an, mich mit Computern zu beschäftigen. Alle Energie, die bisher in eigene Stoff- und Strickkreationen geflossen war, ging nun übergangslos in die Computerei über. Stoffmuster wurden quasi über Nacht langweilig, Computergrafik zog die Aufmerksamkeit an.
Das KaDeWe wurde männlicher. Der begehrte freie Platz im Erdgeschoss, die Präsentationsfläche für alles, was der Kaufhausletung wichtig ist, wurde freigeräumt und mit Marmorfußboden versehen. Ab sofort gab es hier "Aktionen" für besonders zu promotende Artikel. Es wurde "dynamischer" und heller - und kühler. Die Stoffe zogen in die 5. Etage, die Wolle wurde mit den Kurzwaren zusammengelegt und verschwand in unscheinbaren Winkeln. Ja, ich hab's eingesehen, ein Kaufhaus muss schließlich verkaufen, so ist das Leben. Immerhin wurde die bedeutende Feinschmeckeretage im 6. Stock geschaffen.

Dann kam ein weiteres "neues" Konzept, es wurden mehr Markenwaren in einzelnen Abteilungen verkauft, der Status des KaDeWe als "Flaggschiff" des Konzerns, nunmehr Karstadt und Hertie zusammen, wurde herausgestellt. In Erwartung des wirtschaftlichen Aufschwungs nach der Wiedervereinigung wurde ein größeres Angebot mit immer teureren Waren gemacht. Dennoch, so wurde von der Konzernleitung immer betont, ist man sich bewußt, dass der Erfolg des Kaufhauses darauf beruht, dass man sowohl Luxuswaren als auch preiswerte Waren anbietet.

Trotzdem muss ich gestehen, das mich seit dieser Zeit ein wenig Misstrauen beschleicht, wenn ich höre, dass das KadeWe renoviert wird und alles besser, schöner, größer wird.

Und so es ist gekommen. Es wurde in den vergangenen Wochen gewaltig renoviert und gebaut, noch mehr Marmor verlegt, neue Glasvitrinen aufgestellt. Es wurden neue Wände gezogen, die Abteilungen grenzen sich noch mehr voneinander ab als bisher. Im Erdgeschoss müssen einige Juwelierfirmen ihre Kostbarkeiten vor Diebstahl schützen, hier gibt es jetzt Panzerschränke und mehr Wachpersonal als Verkäufer. Die Parfümerie ist noch im Erdgeschoss, aber die Verkäuferinnen tragen Uniformen. Mein Lieblingsparfüm kostete vor drei Jahren 39 Mark, jetzt kostet es 39 Euro. Vorher noch verschwenderisch ausgelegte Seidentücher sind jetzt sorgsam aufgehängt und vor allzu begierigen Blicken und Händen in den Abteilungen der Designer getrennt aufbewahrt. Mein erster Blick fiel auf ein Armani Tuch in meiner neuen Farbe, es kostet 395 Euro. Na danke!
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