Hartzer Kaese

2
Feb
2005

BfA nervt Ich AGs

Die Rentenkassen sind leer, das ist allgemein bekannt, der Spiegel berichtete gerade wieder über riesige Finanzlöcher. Aber muss deswegen die Existenz zahlreicher Ich AGs auf Spiel gesetzt werden? Existenzgründerinnen aus dem FrauenkompetenzCentrum beklagen sich darüber, dass die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zur Zeit mit gnadenloser Härte Rentenbeiträge der frisch gegründeten Unternehmerinnen eintreibt - an Penetranz nur noch vergleichbar mit der GEZ. Nicht nur, das die Anschreiben eine unverständliche
Buchstabenwüste darstellen, es gibt jeden Bescheid nur noch mit unverschämt formulierten Rechtsmittelbelehrungen, Mahnungen und Strafandrohungen. Der gesetzliche Hintergrund des BfA-Amoklaufs ist eine Verordnung vom August 2004, nach der alle Gründer, die vom Arbeitsamt gefördert werden, in jedem Fall einen Beitrag zur gesetzlichen Rente zahlen müssen. Wer "einkommensgerecht" einzahlen will, muss mit ständigen Anfragen nach den Einkünften rechnen, weil Bürokraten sich nicht vorstellen können, das Unternehmer auch einmal einen Monat nichts einnehmen.
Es gab vor dem 1.8.2004 eine Regelung, nach der bei "einkommensgerechter" Beitragszahlung Einkommen von unter 400 Euro im Monat - ähnlich wie bei geringfügigen Einkünften von Arbeitnehmern - die Zahlungspflicht entfiel. Das waren wohl zu viele, auf die das zutraf. Jedenfalls gibt es seither ein "Gesetz zur nachhaltigen Finanzierung der gesetzlichen Renten", nach der muss in jedem Fall gezahlt werden, auch wenn gar kein Einkommen vorhanden ist.
Da stellen sich schon einige Fragen:
Was heißt nachhaltige Rentenfinanzierung? Unternehmer sind normalerweise nicht in der Rentenversicherung. Es geht offenbar nur darum, die gegenwärtigen Rentenkassen aufzufüllen. Die Unternehmerinnen von KompetenzCentrum beklagen sich darüber, das ihnen die 78 Euro Mindestbeitrag zum Aufbau einer eigenen privaten Altervorsorge fehlen. Keine der Frauen rechnet ernsthaft damit, dass ihr "Ich AG"- Rentenbeitrag zu einer nennenswerten staatlichen Rente führt.
Existenzgründerinnen in der Startphase haben nach Abzug ihrer Kosten zum großen Teil weniger Einkommen als Arbeitslosenhilfeempfänger, sie wollen trotzdem weitermachen, weil sie die Unabhängigkeit schätzen. Warum müssen diese Frauen (Männer betrifft das in vergleichbaren Situationen natürlich genauso) jetzt ihre schon vorhandenen privaten Vorsorgefonds auflösen, um noch ihre Zwangsrentenbeiträge zahlen zu können? Das ist absurd und dient genau nicht dem Ziel einer nachhaltigen Altersvorsorge!

6
Jan
2005

Geschäfte... 2. Teil

Bei den Archivalia wird heute auf ein Projekt zur Digitalisierung von "Kulturgütern" hingewiesen, das mit 20.000 (damit verdient der Verleger mindestens 5 Millionen Euro!) 1-Euro-Jobs realisiert werden soll.

Der Privatverleger Hans J. Heinrich will Archivmaterial von Museen durch langzeitarbeitslose Akademiker erfassen lassen. Die gespeicherten Daten sollen dann entgeltpflichtig zur Verfügung gestellt werden. Unterstützung bekommt der Verleger von der Kulturstaatsministerin, auch Rainer Klemke aus der Berliner Kulturverwaltung soll an dem Projekt Interesse geäußert haben.

Kritik hat bisher vor allem der Deutsche Kulturrat geäußert: rechtliche Probleme, Einhaltung der Qualitätsstandards und Schwierigkeit für den regulären Arbeitsmarkt im Kulturbereich werden hier als ungeklärt angesehen.

Ich schließe mich dem Statement an: Erst werden den Museen staatliche Zuwendungen gekürzt, so dass sie kein Personal für den IT-Bereich einstellen können. Die Aufgaben müssen extern vergeben werden, also machen sich die damit beauftragten Leute selbständig, dann kommt wieder der Staat und nimmt den neugegründeten Firmen mit 1-Euro-Jobs die Aufträge weg.
Riesensauerei!

Update: Kulturstaatsminsterin Weiss hat sich mittlerweile von dem Projekt distanziert. Bleibt noch Herr Klemke und das grundsätzliche Interesse einiger Museen...

4
Jan
2005

Geschäfte mit 1-Euro-Jobs?

Albrecht Müller, der sozialdemokratische Autor der "Reformlüge", macht in seinen Nachdenk-Seiten eine interessante Rechnung auf :

Die Bundesregierung zahlt jeder gemeinnützigen Organisation, die 1-Euro-Jobber beschäftigt, eine Verwaltungspauschale von 300 bis 500 Euro monatlich, der genaue Betrag ist Verhandlungssache.
Geht man von durchschnittlich 400 Euro Zuwendung aus und stellt weiter in Rechnung, dass ein Arbeitsloser davon maximal 150 Euro bekommt, bleiben dem "Träger" immerhin noch 250 Euro pro Arbeitslosem an Überschuss, eine kostenlose zusätzliche Arbeitskraft ist in der Rechnung noch nicht mal enthalten.
Größere gemeinnützige Organisationen können locker 20.000 der 1-Euro-Jobber beschäftigen, hätten also Einnahmen für "Verwaltungskosten" von 5 Millionen Euro monatlich.

Albrecht Müller bemängelt dabei vor allem die Missbrauchsmöglichkeiten: Organisationen, die in die Fortbildung der Arbeitslosen investieren, würden dadurch weniger "Gewinn" machen, als solche, die die Verwaltungskosten einfach nur "einstreichen".

10
Okt
2004

Rot-grüne Politik der Magersucht

Die Reformpolitik der Bundesregierung gleicht einer ins Hysterische überdrehten Diät: Die Folge ist zunächst einmal Gewichtsabnahme, die bis zu einem gewissen Punkt vielleicht erwünscht ist, aber wenn man übertreibt tendenziell zu Kreislaufzusammenbrüchen und anderen Mangel-Krankheiten - im Extremfall sogar zum Tod, zum Selbstmord - führen kann. Angeführt wird diese wahnwitzige Diätbewegung vom Wirtschaftsminister, der passenderweise zugleich Arbeitsminister ist - harmonisch begleitet von der Landwirtschaftsministerin, die eine Kampagne gegen dicke Kinder zuliefert.
In der heutigen Ausgabe des Berliner Tagesspiegel wird - wieder einmal auf der Kommentarseite - die Reformpolitik der Schröder-Regierung als zerstörerische Abwärtspirale beschrieben. Es wird durch Sozialkürzungen gespart bei denen, die ohnehin alles Geld zum leben ausgeben müssen und durch Lohn- und Rentenkürzungen bei den Mittelschichten, die die Mindereinnahmen und höheren Kosten, z.B. teures Öl, durch Konsumverzicht ausgleichen. Das sind aber die Schichten, die konjunkturbelebend wirken müssten. Diejenigen, denen man Kapital in größerem Maße zuführt, legen das Geld irgendwo auf der Welt an, nur nicht in Deutschland. Geld - ursprünglich ein Schmiermittel, das den Wirtschaftskreislauf am Rotieren hält, wird in großem Maßstab entzogen. Die Folge ist eine wirtschaftliche und politische - auch eine psychologische - Depression.
Können wir als mündige Bürger gegen diesen "politischen Schlankheitswahn" etwas tun? Gestern hat Erhard Eppler , einer der "Intellktuellen" aus den SPD-Denkfabriken, in dankenswerter Offenheit verkündet, dass man dem "Kapital" nicht soviel zumuten kann wie der Bevölkerung. Geld kann man schnell außer Landes schaffen, die Leute dagegen müssen hier wohnen bleiben. Müssen sie wirklich? Medvedj organisiert gerade in seinen Notizen am Abgrund die Abstimmung mit den Füßen....

30
Sep
2004

Frauen als Gewinnerinnen!

Der Tagesspiegel beschreibt in seiner heutigen Ausgabe eine neue Entwicklung am Berliner Arbeitsmarkt: Von den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern der Stadt sind laut Statistik des Landesamtes Berlin 51,6 % Frauen. Damit liegt Berlin mit dem Anteil berufstätiger Frauen an der Spitze! Sozialversicherungspflichtig heißt: Billiglohnarbeitsplätze sind dabei nicht erfasst, das dürfte den Anteil der Frauen aber noch einmal erhöhen. Der Berliner Senat erklärt das Ergebnis mit der hervorragenden Ausstattung mit Kinderbetreuungsplätzen, und mit dem Rückgang der "männlichen" Arbeitsplätze in der Industrie und Bauwirtschaft.
Die Statistik ist dringend interpretationsbedürftig: Der Wegfall der traditionellen Männerarbeitsplätze bedeutet eben auch, dass es in Berlin weniger bezahlte Arbeitsplätze als in anderen Regionen gibt. Bei einer Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau ist es wenig verwunderlich, dass der Frauenanteil steigt. "Frauenarbeitsplätze" bedeuten aber immer noch schlechtere Bezahlung, so dass das Einkommensniveau in der Stadt vergleichsweise niedrig ist. Das hat schon Tradition: "Berlin ist eine arme Stadt" - dass die Frauen hier die Gewinnerinnen sind ist immerhin ein schwacher Trost!

22
Sep
2004

Hartzer Käse I: Frauen als Verliererinnen

Die Bundesregierung fühlt sich frauenpolitisch auf der Höhe der Zeit: Chancengleicheit als oberstes Ziel hat sie sich auf die rot-grünen Fahnen geschrieben. Nur: wer kann bei gleichen Chancen diese besser nutzen? Die Führungsetagen vor allem der Wirtschaft sind in Deutschland weitgehend frauenfrei und Chancen werden hierzulande immer noch nach "Gutsherrenart" zugeteilt.
Nichts ist aber so schlecht, dass es nicht noch schlimmer kommen könnte: Künftig wird es keine eigenständige Existenzsicherung für arbeitslose Frauen mehr geben. ( Genosse TABU hat vor einigen Tagen auf die besonders drastischen Folgen für Frauen hingewiesen) Mit der Bedürftigkeitsprüfung bei Arbeitslosenhilfe II ist die vorrangige finanzielle Unterstützung der "Bedarfsgemeinschaft" gesetzlich fixiert. Bedarfsgemeinschaft ist eine bürokratische Sprechblase: gemeint ist die Familie. Konservative denken dabei an (in der Reihenfolge) Mann und Frau, verheiratet, und Kinder. Unverheiratete Paare ("Lebenspartnerschaften") beiderlei oder einerlei Geschlechts sind
dem Staat ein Greuel, weil sie sich tendenziell der Kontrolle entziehen. Damit auch sie der angepeilten Versorgungspflicht nachkommen, hat man kurzerhand die sperrige "Bedarfsgemeinschaft" ersonnen...
Familien- und Frauenministerin Renate Schmidt teilt in ihrer Presserklärung zum 10. Jahrestag der Weltfrauenkonferenz in Peking mit: "Die Bundesregierung wird die Reformen am Arbeitsmarkt unter dem Aspekt Gender Mainstreaming evaluieren." Sprich: die Auswirkungen für Frauen sollen untersucht werden. Da sind wir aber sehr gespannt!
Im Spiegel erklärt heute die Hamburger Grünen-Abgeordnete und frauenpolitische Sprecherin, Katja Husen, dass die Grünen dem Gesetz zugestimmt haben, weil dadurch viele alleinerziehende Frauen mit Sozialhilfe von der Arbeitsagentur übernommen werden müssen. Ob das den Frauen hilft, mag jeder selbst beurteilen!

Eine Wirkung hat das Gesetz jetzt schon: befreundete Paare denken darüber nach, in getrennte Wohnungen zu ziehen. Ein Gesetz als Familienkiller!

23
Aug
2004

Eine "Reform", die keine ist

Albrecht Müller, der frühere Berater von Willy Brandt und Helmut Schmidt, liest in einem offenen Brief, den der Tagesspiegel abdruckt, dem Bundeskanzler Schröder die Leviten. Besonders stört er sich an dem Gebrauch des Begriffs "Reform": Es habe sich in der sozialdemokratischen Geschichte bei Reformen traditionell immer um Verbesserungen der sozialen Lage der unteren Schichten gehandelt. Bei der jetzigen "Reform" wird nicht nur den Ärmeren etwas weggenommen, es werden sogar die Mittelschichten in Panik vor dem sozialen Abstieg versetzt.
Endlich sagt's mal einer. Endlich steht es auch mal im "Tagesspiegel", wenn auch nur als Kommentar.
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