21
Okt
2005

Marianne Suhr liest

Marianne Suhr

Für heute abend bekam ich eine Einladung ins Literaturhaus Fasanenstraße zum Thema: Sprache der Politik und Sprache der Literatur.
Ich würde eigentlich keinen Fuß in so eine Veranstaltung setzen. Meine Erfahrungen im sprachlichen Korsett als Bezirkspolitikerin haben mir seinerzeit fast völlig die Luft abgedrückt. Ich habe einige Jahre gebraucht bis ich wieder halbwegs normal sprechen und schreiben konnte. Zum Ende meiner Politikerinnen-Tätigkeit fiel mir nur ein gewisses Zitat von Goethe ein, es folgte allerdings kein weiterer literarischer Impuls daraus. Und kein Bock auf Verleumdungsklagen.

Aber heute war ein Unterschied: meine frühere Kollegin Marianne Suhr wollte aus ihren Büchern lesen. Sie ist hier in Charlottenburg Vorsteherin der Bezirksversammlung und außerdem Schriftstellerin. Ich wollte nun wissen, wie sie mit diesen sprachlichen Schizophrenien fertig wird. "Wir treffen folgende Sprachregelung", das ist immer das "Schlagwort", wenn etwa Parteien vermeiden wollen, dass unterschiedliche Meinungen, womöglich Streit, nach außen dringen. Diese geregelte Sprache ist dann immer ein Kompromiss von grauenhafter sprachlicher Qualität. Marianne geht abends nach Hause und schreibt, anders hält sie es nicht aus, meint sie.

Die Rede war auch von Manipulation, sie zitiert Habermas und Adorno. Sie bedauert, dass es eine Sprache der Werbung ist, es geht darum, etwas zu verkaufen. Aber man kann auch nicht darauf verzichten, auf diese Verkaufen - Metapher.
Ich denke, während sie das ausführt, an George Orwells 1984 und die Neusprech-Propaganda, während mir die Bertelsmann - Kampagne Wir sind Deutschland einfällt, oder wird die politische "Sprachregelung" jetzt auch privatisiert?
Ich schweife ab. Das führt zu weit. In der Lokalpolitik gelten noch ein paar andere Gesetzmäßigkeiten. Gerade habe ich gelesen, dass die FDP ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, nach dem sie die Bezirksverwaltungen abschaffen will. Bloß nicht in Sprachlosigkeit verfallen...!

Und die Autorin liest noch aus ihrem unveröffentlichten Roman Roter Milan, die Männergeschichten sind erschienen im text verlag - edition berlin

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