"Whisky" - der Film ohne Whisky
Kino ist schrecklich! Eingesperrt in einem finsteren Raum mit ungeduldigen Leuten sitzend irgendwelche Licht-und Schattenspiele über sich ergehen lassen... nichts für Klaustrophobiker und Leute, die nicht gut still sitzen können. Aber Sharon hat mich überedet, mir den Film Whisky von Rebella/Stoll aus Uruguay anzutun. Es war wahrscheinlich die angekündigte Geschichte zweier alter jüdischer Männer, die Konkurrenz der Brüder, die mich zum Entschluss gebracht hat.
Meine Nerven werden im ersten Teil des Films auf eine harte Probe gestellt: der Film ist ein hammerharter Non-Action und Anti-Klimax Film. Die Einstellungen sind statisch wie eine von Frames eingerahmte Internet Seite. Man sieht, wie die Vorarbeiterin Marta an mehreren Tagen hintereinander in der heruntergekommenen Strumpffabrik des Unternehmers Jacobo arbeitet, im Bus nach Hause fährt und über Walkman schmalzige Musik hört oder sich abends Liebesfilme im Kino reinzieht. Es werden jeden Tag ein paar hundert graue Socken produziert, sonst passiert nichts. Jacobo reagiert gereizt auf jede Veränderung in seinem Leben, im Moment nervt ihn, dass sich der Rolladen in seinem Büro nicht mehr hochziehen lässt. In Panik versetzt ihn ein Fax seines Bruders Herman. Der kündigt seinen Besuch an, um das Grab der Mutter nach jüdischem Ritus zu weihen. Der Bruder ist ein weltgewandter, unternehmungslustiger Typ, ihm gegenüber wirkt Jacobo langweilig und borniert. Irgendwann hat er dem Herman vorgelogen, dass er verheiratet ist. Nun wartet auf Marta die Bewährungsprobe ihres Lebens, sie soll die Ehefrau spielen.
Marta ist etwa fünfzig, ziemlich klein und sieht aus wie 50-jährige eben aussehen. Sie geht erstmal zum Friseur - naja. Der Effekt "von Aschenputtel zur Prinzessin" will sich nicht so recht einstellen. Sie brauchen ein gestelltes Hochzeitsfoto, dabei muss man "Whisky" sagen, um den richtigen Bogenschwung der Mundwinkel hin zu bekommen. Marta spielt die Rolle perfekt und lässt sich durch keine gezielte Frage von Herman aus dem Konzept bringen.
"Marta oder Martha?" fragt Herman die Frau zu Beginn seines Besuchs und schenkt ihr ein paar bunt geringelte italienische Socken. "Marta ohne 'h'" antwortet sie. Herman nennt sie weiterhin Martha.
Was nun beginnt, ist eigentlich kein Wettstreit um die Frau. Marta fühlt sich deutlich zu Herman hingezogen. Für ihn beginnt sie sogar, Sätze von hinten zu sprechen. Meine Sympathie hat der alte jüdische Mann Jacobo. Er redet kaum. In keiner Sekunde gibt er zu erkennen, dass er für Marta "kämpfen" will. Trotzdem ist er vielleicht derjenige, der am Ende etwas erkannt hat. Und es geht um Geld und die Frage, wer wirklich etwas davon versteht.
Die Regisseure Juan Pablo Rebelle und Pablo Stoll aus Montevideo haben einen Film über alte Leute gemacht: die jüngeren sind gehbehindert. Was wollen sie uns denn damit sagen? Frank Schirrmacher kann nach Hause gehen? Der Film hat den Sundance NHK International Filmmakers Award bekommen. Auf jeden Fall geht man aus dem Film nicht heulend, sondern - nach kurzem Nachdenken - mit dem breitest möglichen Grinsen.
Fazit: Der beste Whisky-Film ohne Whisky, der demnächst zu beobachten sein wird (ab 14. April in deutschen Kinos)
Meine Nerven werden im ersten Teil des Films auf eine harte Probe gestellt: der Film ist ein hammerharter Non-Action und Anti-Klimax Film. Die Einstellungen sind statisch wie eine von Frames eingerahmte Internet Seite. Man sieht, wie die Vorarbeiterin Marta an mehreren Tagen hintereinander in der heruntergekommenen Strumpffabrik des Unternehmers Jacobo arbeitet, im Bus nach Hause fährt und über Walkman schmalzige Musik hört oder sich abends Liebesfilme im Kino reinzieht. Es werden jeden Tag ein paar hundert graue Socken produziert, sonst passiert nichts. Jacobo reagiert gereizt auf jede Veränderung in seinem Leben, im Moment nervt ihn, dass sich der Rolladen in seinem Büro nicht mehr hochziehen lässt. In Panik versetzt ihn ein Fax seines Bruders Herman. Der kündigt seinen Besuch an, um das Grab der Mutter nach jüdischem Ritus zu weihen. Der Bruder ist ein weltgewandter, unternehmungslustiger Typ, ihm gegenüber wirkt Jacobo langweilig und borniert. Irgendwann hat er dem Herman vorgelogen, dass er verheiratet ist. Nun wartet auf Marta die Bewährungsprobe ihres Lebens, sie soll die Ehefrau spielen.
Marta ist etwa fünfzig, ziemlich klein und sieht aus wie 50-jährige eben aussehen. Sie geht erstmal zum Friseur - naja. Der Effekt "von Aschenputtel zur Prinzessin" will sich nicht so recht einstellen. Sie brauchen ein gestelltes Hochzeitsfoto, dabei muss man "Whisky" sagen, um den richtigen Bogenschwung der Mundwinkel hin zu bekommen. Marta spielt die Rolle perfekt und lässt sich durch keine gezielte Frage von Herman aus dem Konzept bringen.
"Marta oder Martha?" fragt Herman die Frau zu Beginn seines Besuchs und schenkt ihr ein paar bunt geringelte italienische Socken. "Marta ohne 'h'" antwortet sie. Herman nennt sie weiterhin Martha.
Was nun beginnt, ist eigentlich kein Wettstreit um die Frau. Marta fühlt sich deutlich zu Herman hingezogen. Für ihn beginnt sie sogar, Sätze von hinten zu sprechen. Meine Sympathie hat der alte jüdische Mann Jacobo. Er redet kaum. In keiner Sekunde gibt er zu erkennen, dass er für Marta "kämpfen" will. Trotzdem ist er vielleicht derjenige, der am Ende etwas erkannt hat. Und es geht um Geld und die Frage, wer wirklich etwas davon versteht.
Die Regisseure Juan Pablo Rebelle und Pablo Stoll aus Montevideo haben einen Film über alte Leute gemacht: die jüngeren sind gehbehindert. Was wollen sie uns denn damit sagen? Frank Schirrmacher kann nach Hause gehen? Der Film hat den Sundance NHK International Filmmakers Award bekommen. Auf jeden Fall geht man aus dem Film nicht heulend, sondern - nach kurzem Nachdenken - mit dem breitest möglichen Grinsen.
Fazit: Der beste Whisky-Film ohne Whisky, der demnächst zu beobachten sein wird (ab 14. April in deutschen Kinos)
rosawolke - 28. Jan, 22:42
0 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Trackback URL:
https://klausenerplatz.twoday.net/stories/493895/modTrackback